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Benzi&Hunzi
Frisiersalon Linz (AT)
2022
Solo 


photos: Julia Tasler-Rager

Text zur Ausstellung:

Heute Abend am Diwan

Nachdem er schon zum Dritten Mal die gleichen 20 Sender durchgezappt hat und immer noch die gleichen 20 Sendungen laufen, wie vor 20 Sekunden auch schon, schaltet er mittels einen der beiden roten Knöpfe auf seiner Fernbedienung auf Netflix um. Wäre wohl besser gewesen, er hätte gleich den anderen roten Knopf benutzt. Aber mit Stille kommt er nicht so gut zurecht, vor allem nicht abends, allein auf seiner Couch. Seit der Trennung mit seiner Freundin kommt er sowieso nicht so gut zurecht. Die aufklappbare Schlaf-Couch lässt er seitdem zum Schlafen eingeklappt. Ist außerdem auch weniger Aufwand. Manchmal raucht er am Abend noch – um besser einschlafen zu können, und damit die Gedanken mal still sind, wenn es der Fernseher schon nicht ist.
Kurz driftet er vom großen flachen Bildschirm auf den kleineren ab, der bis jetzt neben ihn auf dem Sofa gelegen ist. Es ist spät, aber auch nicht zu spät. Für eine Sekunde denkt er darüber nach, ob er noch rausgehen soll. Er entsperrt den kleinen flachen Bildschirm in seiner Hand, drückt auf seine Kontaktliste. Da, gleich am Anfang, B wie Benzi. Wie gerne würde er ihn jetzt anrufen, nein, gar nicht anrufen, sondern gleich vor seiner Garage stehen. Es ist auch nicht mehr dasselbe wie früher. Seitdem er mit Benzina durch Europa gegangen ist, redet er nur noch von Skandinavien und am Jakobsweg waren die Beiden auch.
Für Wikinger oder die Bibel war er nie zu begeistern, aber für seine Hunzine, ja für sie wäre er durch die ganze Welt gelaufen und hätte ihr die wunderschönsten Stöckchen gesammelt und vor die Füße gelegt (Sie hatte eine anschauliche Sammlung an Stöckchen, nach Farbe, Größe und Geradheit sortiert, aber nie um damit zu spielen, sondern eher als Trophäen oder hald einfach nur als Sammlung). Das hat er nie so ganz verstanden. Er hatte nur eine anschauliche Sammlung an Flusen und Zigarettenstummeln unter seiner Couch.
Die Titelmelodie von Friends dröhnt plötzlich aus seinem TV, die Vorschau von Netflix hat sich verselbstständigt, er wird aus der Stöckchensammlung herausgerissen.
Hunger. Der kleine flache Bildschirm rutscht von seiner Hand zurück auf die Couch und versinkt zur Hälfte im Schlitz zwischen den Polstern. Er steht auf und geht die drei Schritte zu seiner Küche. Er öffnet den über ihm hängenden Vorratsschrank, zieht eine von den 20 5kg-Packungen Pedigree Trockenfutter heraus, leert sie in die nicht abgewaschene Schüssel von am Morgen und übergießt die kleinen, braunen, unförmigen Kugeln mit etwas Milch. Er sinkt zurück auf das Sofa, das Trockenfutter-Müsli auf seinem Schoß und die Fernbedienung wieder in der Hand. Er scrollt durch die Filmvorschläge von Netflix und klickt auf eine Dokumentation über den Jakobsweg.

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